Geschrieben von Jill Pennington, Vizepräsidentin, Internationale Beratung
Im Jahr 2024 wird fast die Hälfte der Weltbevölkerung ihre Regierungen wählen, und zwar in mindestens 64 Ländern. Die Politikverdrossenheit nimmt zu, und man hat das Gefühl, dass die Regierenden oder die, die regieren wollen, nicht mehr die Art von Führungskräften sind, die wir brauchen, um eine turbulente Welt zu steuern. Inwieweit spiegelt sich dieser Ruf nach einem anderen Führungsstil auch in Unternehmen wider?
Eine neue Ära der
Die internationale Studie von Talogy hat gezeigt, dass die Unternehmen einen Führungswechsel fordern. Es zeigte sich, dass der Druck, die Leistung zu verbessern, einen größeren Wert für die Stakeholder zu schaffen und nachhaltiges Wachstum zu erreichen, eine andere Art von Führungskraft erfordert. In Verbindung mit den sich ändernden Erwartungen der Mitarbeiter und im Kontext globaler Instabilität sprachen viele der von uns befragten Organisationen über ihren Bedarf an Führungskräften, die emotional intelligenter sind und organisationsübergreifend zusammenarbeiten können.
Die Organisationen erwähnten auch die Komplexität der Probleme, mit denen die Führungskräfte konfrontiert sind, und dass von Führungskräften nicht erwartet werden kann, dass sie alle Antworten kennen. Dies erfordert eine neue Art von Führungskräften, die ihre Rolle darin sehen, die kollektive Energie, die Leidenschaft und die Fähigkeiten der Menschen um sie herum zu fördern und freizusetzen. Außerdem müssen diese Führungskräfte in der Lage sein, komplexe Probleme durch systemisches Denken und Zusammenarbeit zu lösen.
Unsere Forschung hat ergeben, dass ein Wechsel zu einer stärker menschenzentrierte Führung mit Führungskräften als Coaches nötig ist, die Offenheit und Entdeckerfreude an den Tag legen. Diese Qualitäten sind zwar im Zusammenhang mit Führung nicht neu, aber sie erfordern einen tiefgreifenden Wandel im Rollenverständnis der Führungskräfte und damit in ihrer Führungsidentität. Aus diesem Grund steht die Führungsidentität im Mittelpunkt unseres neuen InView Leadership Framework.
Was versteht man unter Führungsidentität?
Wir definieren Führungsidentität als die Person, die man als Führungskraft ist, oder als die Art und Weise, wie man sich selbst in der Führungsrolle sieht. Es handelt sich im Wesentlichen um die Vision der Führungsrolle, das erwartete Verhalten und die Art und Weise, wie sie sich selbst in dieser Rolle sehen. Wie sie führen, wird grundlegend von dieser Identität beeinflusst und davon, wie sie sich selbst führen, um diese Vorstellung umzusetzen. Die Identität beeinflusst, welche Prioritäten eine Führungskraft setzt, worüber sie spricht und wie sie sich zu verhalten gedenkt.
Warum ist die Führungsidentität so wichtig?
Die Führungsidentität bildet die Grundlage für unsere Interaktionen und Arbeitsweisen und hat einen großen Einfluss auf die Dynamik zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Eine interessante Studie zum Thema Führungsidentität untersuchte drei Arten von Führungsidentität (individuelle, relationale und kollektive Führungsidentität) und deren Wirksamkeit. Die Studie ergab eine Korrelation zwischen Führungskräften mit einer starken kollektiven Identität und transformationellem Führungsverhalten, während Führungskräfte mit einer starken individuellen Identität eher zu einer missbräuchlichen Führung neigten.
Einfach ausgedrückt: Führungskräfte, die nur auf sich selbst fokussiert sind, sind nicht nur weniger effektiv, sie sind auch schwierig für ihre Mitarbeiter. In einer Zeit, in der die Menschen einen integrativeren und einfühlsameren Arbeitsplatz und mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und -zeit wünschen, ist dieser Führungsstil nicht hilfreich, um einige der die wichtigsten Herausforderungen für Führungskräfte zu bewältigen, die unsere Studie ermittelt hat, wie z. B. Talentgewinnung.
Unsere Führungsidentität wirkt sich auch darauf aus, wie wir mit anderen Führungskräften interagieren. Angesichts der Komplexität der Arbeit können hierarchische Führungsmodelle ein Hindernis für die Forderung nach mehr Agilität und Zusammenarbeit darstellen. Organisationen brauchen Führungskräfte, die für die Erzielung von Ergebnissen verantwortlich sind, ihre Rolle aber auch als Teil von Führungsteams sehen, um einen größeren Wert für die Organisation und die wichtigsten Interessengruppen zu schaffen. Eine Führungspersönlichkeit mit einer kollektiven Identität sieht ihre Rolle als Teil eines Teams – Zusammenarbeit statt Konkurrenz und schöpferische Entwicklung statt Überleben.
In einem wettbewerbsorientierten Umfeld ist die Identität der Führungskraft von Bedeutung, weil sie beeinflusst, wie mutig wir sind – inwieweit wir Dinge in Frage stellen und uns für Veränderungen und Verbesserungen einsetzen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für moderne Führung. Außerdem wird zunehmend erkannt, dass in erfolgreichen Organisationen ein Gefühl der Zugehörigkeit und eine starke psychologische Sicherheit vorherrschen, und dass Ehrlichkeit und Mut erforderlich ist, um dies zu erreichen. Der Mut zur Führung wird stark davon beeinflusst, wie Führungskräfte ihre Rolle und ihren Zweck sehen, welche Werte sie vertreten und wie stark sie sich durch diese Identität gestärkt fühlen.
Welchen Einfluss hat die Führungsidentität auf die Auswahl und Entwicklung unserer Führungskräfte?
Wenn sich die Rolle der Führungskräfte ändert, muss sich auch die Art und Weise ändern, wie die Führungskräfte ihre Rolle und sich selbst in dieser Rolle sehen. Sie müssen sich selbst neu denken, was eine Änderung ihrer Denkweise und neue Verhaltensweisen erfordert.
Wenn wir Führungskräfte auswählen, müssen wir nicht nur auf ihre Fähigkeiten und Erfahrungen schauen, sondern auch auf ihre Persönlichkeit und ihre Identität als Führungskraft. Stimmt ihre Vision von Führung mit den Verhaltensweisen überein, die wir erwarten? In unserem InView-Framework ist zum Beispiel die Befähigung zum Handeln eine wichtige Führungsqualität. Damit eine Führungskraft dies tun kann, muss sie ihre Rolle so sehen, dass sie andere befähigt und unterstützt, und nicht so, dass sie Ideen einbringt und andere dazu bringt, diese umzusetzen. Die Führungsidentität ist zwar komplex, kann aber durch Interviews und psychometrische Untersuchungen, die Motive und Werte erforschen, beurteilt werden.
Die Entwicklung von Führungskräften muss die Arbeit an der Führungsidentität einschließen. In der Studie, auf die ich oben verwiesen habe, war das Fazit, dass „die Entwicklung erfolgreicher Führungskräfte Ausbildungs- und Entwicklungsprogramme erfordert, die nicht nur die technischen und verhaltensbezogenen Fähigkeiten betonen, die die Menschen mit Führungsinstrumenten ausstatten, sondern auch angemessene Identitäten fördern, die die richtigen Motivationen für die Nutzung dieser Instrumente vermitteln“. Sie empfehlen, dass diese Identitätsarbeit auf allen Führungsebenen geleistet wird, da die Macht und der Status, die mit diesen Rollen verbunden sind, eine individuelle Identität aktivieren, wenn Menschen zum ersten Mal eine Führungsrolle übernehmen. Dies kann sich verstärken, wenn Führungskräfte aufsteigen, da hohe Führungspositionen mit größerer persönlicher Macht, mehr Status und seltenerem Kontakt niederigeren Hierarchieebenen verbunden sind.
Der Einfluss der Führungsidentität auf die Organisationsdynamik
Wenn Organisationen es ernst meinen mit dem Wunsch nach vernetzten, engagierten Führungskräften, müssen sie diese klare Erwartung formulieren und eine Entwicklung anbieten, die den Führungskräften hilft, eine stärker interdependente und integrative Führungsidentität anzunehmen. Das Konzept der kollektiven Führungsidentität ist wichtig und muss von Organisationen, die eine Neuausrichtung der Führung anstreben, übernommen werden. Es ist von grundlegender Bedeutung, Klarheit über die Rolle und die Erwartungen der Führungskräfte zu schaffen, und geht Hand in Hand mit der Identitätsentwicklung.
Diese Art der Umgestaltung ist nicht einfach und erfordert Freiwilligkeit. Transparenz bei der Schaffung neuer Definitionen von Führungsrollen, Auswahlverfahren und Entwicklungspfaden hilft den Führungskräften zu verstehen, warum dieser Wandel notwendig ist, und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich darauf einlassen.