Verfasst von Dr. Jo Maddocks, Chief Psychologist
Auf der ganzen Welt befinden wir uns individuell und national in unterschiedlichen Stadien der Reaktion, des Managements und – wenn alles gut geht – der Erholung von der COVID-19-Pandemie. Es gibt vier Phasen, die wir bei der Bewältigung von Widrigkeiten durchlaufen, und der PSI Thrive-Zyklus der Widerstandsfähigkeit beschreibt die psychologischen Phasen der Bewältigung von Veränderungen und Widrigkeiten. In diesem Blog werde ich die erste dieser vier Phasen (Überleben) erörtern und Ratschläge geben, wie man diese Phase in Bezug auf die aktuelle Pandemie und den Lockdown erfolgreich durchlaufen kann. Lassen Sie sich nicht die kommenden Blogbeiträge entgehen, in denen ich jede der nachfolgenden Phasen des Thrive-Zyklus behandeln werde.
Der PSI Thrive-Zyklus der Widerstandsfähigkeit
- Überleben: Wie wir anfangs auf Widrigkeiten reagieren
- Anpassen: Wie wir uns an Veränderungen und Widrigkeiten anpassen
- Erholen: Wie wir uns von Rückschlägen und Widrigkeiten erholen
- Erfolg haben: Wie wir wachsen und nach Widrigkeiten widerstandsfähiger werden
Die einzelnen Phasen können unterschiedlich lange andauern. Manchmal bleiben wir in einer Phase stecken, sodass es schwierig ist, die nächste zu erreichen. Es ist wichtig anzuerkennen, dass es normal und notwendig ist, jede Stufe zu durchlaufen. Zu Beginn der COVID-19-Pandemie war die Versuchung groß, die potenziellen Gefahren zu leugnen oder zu ignorieren, und es dauerte für viele eine Weile, bis sie die Überlebensphase erreichten. Wir haben uns entschieden, uns an die falschen Hoffnungen und an Falschinformationen zu klammern, die unseren Ansichten entsprachen: „Es wird uns im Westen nicht erreichen“, „Es ist nur eine Erkältung“, „Es betrifft nur ältere Menschen“, „Händewaschen ist die Lösung“. Doch die Realität ist unausweichlich, und die meisten verweilen früher oder später eine gewisse Zeit lang in der Überlebenszone, wenn sie mit Widrigkeiten konfrontiert werden. Wie lange wir uns in dieser Zone aufhalten, hängt von vielen Faktoren ab, einer davon ist unsere Widerstandsfähigkeit.
Die Überlebensphase
Die Überlebensphase ist durch Angst und Sorge gekennzeichnet, die Überreaktionen auslösen können und unser schlimmstes Verhalten hervorbringen. Denken Sie zum Beispiel an die Panikkäufe in den Geschäften, die Beschuldigung anderer, das Virus weiterzugeben, und die Sorge um sich selbst auf Kosten anderer. Wichtig ist, dass wir nicht in dieser Phase stecken bleiben. Die Gefahr besteht darin, dass wir überreagieren und übertreiben. Unser Gehirn ist darauf programmiert, sich auf schlechte Nachrichten zu konzentrieren, und daran gibt es derzeit keinen Mangel. Jeden Tag erfahren wir, wie viele weitere Menschen an dem Virus gestorben sind. Können Sie sich vorstellen, dass wir dies auch bei all den anderen Krankheiten, Unfällen und Todesfällen tun, die immer noch jeden Tag in jedem Land der Welt auftreten? Wie deprimierend wäre das Leben! Kürzlich habe ich in der Zeitung einen einzigen kleinen Absatz gelesen, in dem von einer weiteren terroristischen Gräueltat in Frankreich berichtet wurde. Noch vor ein paar Wochen hätte das auf der Titelseite gestanden, internationale Empörung hervorgerufen und unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dort, wo wir unsere Aufmerksamkeit hinlenken, befindet sich zum großen Teil unsere Realität. Um von der Überlebensphase in die Anpassungsphase überzugehen, müssen wir unsere Aufmerksamkeit weg von Furcht und Angst hin zu positiveren und konstruktiveren Gefühlen wie Akzeptanz, Hoffnung und Wertschätzung lenken.
- Aufmerksamkeit fokussieren: Eine Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, unsere Aufmerksamkeit auf positive Informationen zu richten und uns von negativen Gedanken fernzuhalten. Zum Beispiel das ungewöhnlich gute Wetter schätzen, nicht täglich zur Arbeit fahren müssen, die Ruhe auf den Straßen und die Zeit mit der Familie genießen.
- Positive Vorstellungskraft: Eine andere Möglichkeit besteht darin, unsere Vorstellungskraft auf positive Ergebnisse statt auf negative Erwartungen zu richten. Denken Sie daran, unser Gehirn ist so programmiert, dass es sich auf Bedrohungen, Risiken und Gefahren konzentriert. Wenn wir unserer Vorstellungskraft freien Lauf lassen, malen wir uns sofort aus, was alles schief gehen könnte, sodass wir ängstlich und besorgt sind. Um diese natürliche Tendenz zu kompensieren, müssen wir unsere Vorstellungskraft aktiv nutzen, um uns stattdessen auf positive Ergebnisse und Möglichkeiten zu konzentrieren. Worauf freuen Sie sich zum Beispiel? Wie könnten Sie die Umstände verbessern? Was ist das bestmögliche Ergebnis?
- Positive Sprache: Ein weiterer Aspekt ist unser Sprachgebrauch. Eine negative Sprache ist genauso ansteckend wie virale Krankheiten. Zu Beginn der Epidemie im Vereinigten Königreich befanden sich viele Medien in einem Wahnsinn apokalyptischen Ausmaßes. Viele meiner Berufskolleg:innen bekräftigten die Botschaft, dass wir uns alle in einer Krise befänden, ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Ängsten erlebten und psychologische Hilfe benötigten. Es ist wichtig, zwischen einer globalen Krise und einer Krise, in der wir uns selbst befinden, zu unterscheiden. Es gibt viele Menschen, die sich in einer echten Krise befinden, aber es gibt noch viel mehr, deren Krise durch ständige negative Beteuerungen selbst aufrechterhalten wird. Unser Gehirn ist ein Organ, das immer nach Mustern sucht. Wenn wir ständig Begriffe wie „Krise“, „Katastrophe“ und „Depression“ verwenden, um uns selbst zu beschreiben, wird unser Unterbewusstsein nach einer Bestätigung dieser Erwartungen suchen und eine kontinuierliche Negativspirale erzeugen. Wenn wir unsere Ängste abbauen und eine positivere Denkweise entwickeln wollen, müssen wir stattdessen eine positivere Sprache und Affirmationen verwenden.
- Eine positive Denkweise: Eine positive Denkweise, die sogenannte „Thrive-Mentalität“ (Erfolgsmentalität), ist das Gegenteil einer „Survive-Mentalität“ (Überlebensmentalität). Unter Stress schaltet das Gehirn auf einen primitiveren Überlebensmodus um – zum Schutz und zur Erhaltung –, obwohl die beste Art und Weise, moderne Schwierigkeiten zu überleben, darin besteht, nach Möglichkeiten zu suchen und kreativ zu sein. Dies zeigt sich in der Kampf-, Flucht- oder Erstarrungsreaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung, die auch als „emotional Hijack“ bezeichnet wird. Obwohl diese Überlebensreaktion in lebensbedrohlichen Situationen von Vorteil ist, kann sie andere negative Nebenwirkungen haben, wie z. B. eine katastrophale Verringerung des IQ, die Unfähigkeit, rational zu denken, und eine Beeinträchtigung der Problemlösungsfähigkeit. Indem man sich eine positive „Thrive-Denkweise“ zu eigen macht und sie regelmäßig praktiziert, kann man der negativen Grundeinstellung des Gehirns entgegenwirken.
In meinem nächsten Blog werde ich die zweite Phase des Thrive-Zyklus im Zusammenhang mit der Pandemie und dem Lockdown erörtern und wie wir uns an Veränderungen und Widrigkeiten anpassen.